Von Liebesschwüren am Telefon und der richtigen Musik dazu

„Ich möchte meiner Freundin mit dieser Musik sagen, wie sehr ich sie liebe“
– so eine Zeile ist Alltag in meinen Emails. Denn ich spiele kleine Telefonkonzerte für Menschen, die sich gegenseitig mit Live-Musik beschenken möchten. Etwa, weil sie sich in der Pandemie vermissen oder weil ihnen die Live-Konzerte fehlen. Oder weil sie schlicht Geburtstag haben.

Meine „Telefonständchen“ tragen mich seit November 2020 durch die Pandemie.
Heute habe ich das 300ste gespielt und ich bin unglaublich stolz darauf.

Die Idee, Konzerte über das Telefon zu spielen, ist nicht direkt mit dem Lockdown entstanden, führt mich aber als Künstlerin durch diese harte Zeit. Wie die meisten Musiker, kann ich seit November 2020 nicht auf die Bühne oder nur über einen Livestream zu meinem Publikum. Beim Telefonständchen fließt die Musik zumindest direkt von Mensch zu Mensch. Das gibt sowohl den Zuhörern und als auch mir ein wunderbares Gefühl.

Die Ständchen-Empfänger der letzten sechs Monate wurden in den meisten Fällen überrascht. Die Besteller des Ständchens haben den Auftrag über meine Ständchen-Webseite getätigt und schrieben häufig schon den Grund dazu: Ein besonderer Tag oder ein Zeichen der Verbundenheit. Männer wollen ihren Frauen oft Liebesbeweise senden. Frauen beschenken sich gerne mal gegenseitig, einfach so. Besonders häufig beschenkte Altersgruppen gibt es bisher keine, der jüngste Zuhörer bis jetzt war ein Vierjähriger („Hey, Pipi Langstrumpf“), die Älteste 96 Jahre („Reigen seliger Geister“). Der 300ste Telefonzuhörer von heute ist 14 Jahre alt und hörte das Titelthema zum Film „Indiana Jones“.
Bespielt wurden bis jetzt neben Deutschland die Länder Italien, Österreich, Spanien, Schweden, Dänemark, USA, und Großbritannien. Kanada steht für kommende Woche auf dem Plan.

Manchmal gib es besondere Aufträge, bei denen auch meine Duopartnerin Naila Alvarenga am Klavier mitspielt. Ein ranghoher Politiker war so ein Fall – er war total begeistert. Und wir hatten vorher tatsächlich ein bisschen Lampenfieber, hauptsächlich aber viel Spaß, da wir wussten, dass er musikalisch versiert ist.
Gestern spielte ich für eine 86-jährige Dame, die leidenschaftlich gerne ins Konzert geht. Sie schniefte nach dem Vortrag und ich verabschiedete mich behutsam. Auch das sind die Momente, für die sich das Projekt lohnt.

Ich habe noch nie in meinem Leben größere Solidarität erlebt als bei den Menschen, die Telefonständchen bestellen und bekommen. Alle wissen, wie es um uns Musiker steht, alle halten zur Musik. Viele erzählen mir, welche Konzert-Abos sie noch haben und auch niemals kündigen würden, selbst wenn die Konzerte nicht stattfänden. Ich erhalte oft Post (in klein, groß und auch häufig Blumen) als Dank. Das rührt mich jedes Mal von Neuem.

Die Telefonständchen sind der Beweis für mich, wie wichtig den Menschen die Musik ist. Dabei spielt es keine Rolle, welche Zahl an Menschen das ist, sondern einzig und allein, wie intensiv die Liebe zur Musik ist. Wenn Menschen am Telefon beginnen zu weinen, weil sie wieder ins Konzert wollen, dann wird die Kultur jede Pandemie überleben.

Katja Zakotnik, 23. Mai 2021

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